The Big Four – Metal live im Kino?

Was leben wir nicht in verrückten Zeiten. Wäre es nicht schon genug, dass man dank des Internets das Haus nicht mehr zu verlassen braucht, und trotzdem quasi jede Veranstaltung weltweit in Echtzeit mitverfolgen kann? Nein, jetzt kann man anscheinend sogar bei Live Übertragungen von Musik Events im Nahe gelegenen Kino Saal live dabei sein – und das völlig ungefährdet von Schlachtwetter Warnungen, Sonnenbrand, nervigen Massen-Moshpits, Walls of Deaths und dem üblichen Dixiklo Wahnsinn. So konnte man am 22. Juli 2010 u.A. im Wiener CineplexxThe Big Four„, also Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax live am Sonisphere Festival im Bulgarischen Sofia miterleben. Heavy Metal im Kino? Und das ganze wirklich LIVE? Geht das? Die Antwort gibt’s hier in meinem Live-Bericht.

Es war für einen alten Konzertbesucher wie mich schon ein etwas befremdliches Gefühl, mit einer Box Popcorn und einem Softdrink in gewohnter Kinoumgebung Platz zu nehmen, und auf den Start der Bands zu warten. Ist das jetzt Kino, oder Live-Rockkonzert? Hier verschwommen die Grenzen, aber dazu mehr (Stichwort: Slayyyyyer!!!). Die Werbung für dieses Event dürfte aber zu wünschen übrig gelassen haben, denn der Kinosaal war nicht mal zur Hälfte besetzt – Was verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass allein Metallica regelmäßig ganze Hallen füllen. Auch wusste so gut wie niemand aus meinen Rock-affinen Bekanntenkreis von diesem Event, ich vermute mal, die Kinokette kam nicht auf die Idee, den Event mehr als Musik- , und weniger als Kino-Event zu vermarkten. So war auch das Publikum bunt durchmischt: Enthusiastische, langhaarige Jugendliche mit Band T-Shirt und Band-Flaggen (und natürlich Bier 😉 ) waren genauso anwesend wie die eher unauffällig aussehenden, schon in die Jahre gekommenen Alt-Fans der Bands, zu denen ich ja eigentlich auch zähle.

Der Beginn des Events war mit 19.00 Uhr angeschlagen, doch Konzert typisch musste man sich etwas gedulden, eine Texttafel sagte die verbleibenden Minuten bis zum Start an, und zwischendurch sah man Interviews mit einigen Musikern des Abends und Impressionen der Aufbauarbeiten. Das machte mich dann etwas stutzig, ob das Event wirklich live übertragen wurde, denn der Aufbau ging mir dann fast etwas zu schnell von statten. Schon 5 Minuten nach dem Drums einpegeln starteten um 19.32 ANTHRAX mit einem anfangs fragwürdigen Sound, der sich im Lauf der ersten beiden Songs stetig verbesserte – anscheinend ein Indiz, dass es doch wirklich Live war. Anfangs war die Lautstärke für ein Rock Konzert deutlich zu niedrig, was mich schon ein wenig beängstigte – Ein leises Rockkonzert kann ja mal gar nicht sein. Zum Glück (und zum Leidwesen meiner Ohren) dauerte es nicht lange, bis  nun doch richtig laut gedreht wurde, was nun wirklich langsam Rock Konzert Stimmung aufkommen ließ. ANTHRAX spielten brav, aber ich konnte deren Musik nie recht viel abbekommen. Der Gesang von Joey Belladonna ist mir einfach zu monoton, obwohl er bei einem kurzen Ronny James Dio (R.I.P.) Cover bewiesen hat, dass er durchaus richtig gut singen kann.

Um 20.15 wars nach knapp einer dreiviertel Stunde vorbei mit ANTHRAX – und direkt danach gings mit MEGADETH weiter. Halt! Direkt danach? Ja genau, keine Umbaupause, nur eine kuze Logo Einblendung, und schon gings los. Kann also nicht live gewesen sein! Dazu aber später mehr. MEGADETH hatten einen enorm schrillen Sound, was man ja verkraften könnte, aber das was Sänger Dave Mustaine gesanglich ablieferte war eine Frechheit. Dass er nicht unbedingt ein Sangeswunder ist war eh klar, aber auf CD klingts halt noch ok und eigenständig. Überdeutlich hörbar live im Kinosaal war sein Gejaule aber fast nicht zu ertragen. Daves Stimmung war anscheinend auch nicht die beste, kaum Ansagen und ein grantiges Gesicht machten den Eindruck, dass er nicht sonderlich motiviert war. Einsetzender, starker Regen unterstrichen das musikalische Trauerspiel dann noch zusätzlich. Sehr schade, denn die Songs von MEGADETH wären ja verdammt gut – wenn sie nicht von jaulendem „Gesang“ völlig zerstört werden würden. MEGADETH live geht mal gar nicht. Nach der Flucht zum Kinoshop und einem Bier war nach um 21.00 endlich Schluss, die Laune des Herren Mustaine hatte sich schließlich doch noch verbessert, und der nächste Act scharrte schon in den Startlöchern:

SLAYER!!!! legten (wieder ohne Umbaupause) gleich mit Vollgas los. Leider war der Sound der ersten beiden Nummern völlig verwaschen, was die jüngeren Besucher aber nicht davon abhielt, sich aus ihren Sitzen zu erheben und voller Inbrunst zu headbangen. SLAYER!!! sind einfach ein energiegeladenes Phänomen, mit dem die Kinobetreiber wahrscheinlich nicht gerechnet hatten, die nicht sonderlich davon begeistert waren, als sich plötzlich vor der Leinwand ein kleiner Moshpit entwickelte – Sowas hatte ich im Kino auch noch nicht erlebt, wunderbar! Der Moshpit wurde aber bald von Ordnungskräften aufgelöst, und so musste halt auf den Plätzen weitergebangt werden. Die unglaubliche Energie, die SLAYER!!! versprühten erreichte erwartungsgemäß bei Raining Blood ihren Höhepunkt, wo auch der Großteil der restlichen Kinobesucher nicht ruhig auf ihren Plätzen sitzen bleiben konnten und kräftig gegröhlt und gejubelt wurde. Um 21.50 wars dann auch schon wieder vorbei mit SLAYER!!! und ein Interview-Tribut der Künstler an Ronny James Dio folgte.

Kurz vor 22.00 startete das Intro von METALLICA. Gänsehaut. Dann gehts los mit Creaping Death, einem Klassiker der Band. Doch die Euphorie wollte bei mir nicht so richtig einsetzen, irgendwie war das Gebotene etwas, ähem, schräg. Naja, wird am Sound gelegen haben. Nach For whoom the bell tolls, Harvester of Sorrow, Fade To Black, Cyanide, und spätestens nach One war klar: Metallica können nicht spielen. Eine Frechheit eigentlich, was da abgeliefert wurde. Dass Lars Ulrich nicht der beste Schlagzeuger ist war eh bekannt, aber seine gelieferte „Leistung“ war bestenfalls Amateurhaft, es wackelte an allen Ecken und Enden und war enorm untight. Aber auch die Gitarrenfraktion enttäuschte auf ganzer Linie, schlampig gespielte Riffs, vergessene Einsätze und falsche Töne die ganze Zeit und der einzig wahrscheinlich fähige Musiker, Bassist Robert Trujillo, war kaum zu hören. Dem ganzen setze noch die Krone auf, dass die Bühne mit den zwar stylisch aussehenden, aber mies klingenden Shure SH55 („Elvis Mikrophon“) Mikros bestückt war. Der Gesangssound war demnach extrem mittig und unausgewogen, was wie man sich vorstellen kann, den Gesamteindruck der Metallica`schen Darbietung noch die Krone aufsetzte. Um 22.45 verließen wir das Kino, obwohl Metallica noch über eine Stunde spielen würden. 80iger Kult und wunderbare Jungenderinnerungen hin und her, Metallica sind live eine Zumutung für jeden, der selber auch nur ansatzweise Ahnung davon hat, was es bedeutet, Metal Musik zu machen.

Die Frage LIVE ODER NICHT LIVE? stellt sich eigentlich gar nicht. Die Show war ganz sicher keine Live Übertragung, das war spätestens klar, als 5 Sekunden nach ANTHRAX bereits MEGADETH folgten. Ich forsche im Internet ein wenig bezüglich der Running Order der Bands nach, fand aber nichts, außer dass die Festival Beginnzeit mit 15.00 Uhr (Ost Europäische Zeit, das heißt 14.00 Uhr bei uns) angegeben war. Es wäre interessant, mit welchem Zeitversatz die Veranstaltung übertragen wurde und wie viel geschnitten wurde. Auf jeden Fall wars dann doch etwas enttäuschend, dass das ganze nicht wirklich live war, sondern lediglich einen geschickten Marketingtrick darstellte. Denn wenn’s nicht wirklich live ist, dann ist es mir eigentlich schon egal, ob ich das ganze zwei Stunden oder 2 Wochen nach dem Stattfinden sehe.

FAZIT:
Es klang nach einem netten Experiment. Im Vorfeld machte ich mir schon Gedanken darüber, ob Konzerte Live im Kino mitverfolgen vielleicht sogar die Zukunft sei. Die Antwort kann ich ganz klar geben: Ist es nicht. Live ist nun mal Live, und nicht zeitverzögert. Und so bequem  es im Kino auch sein mag, ein Rock Konzert muss man fühlen können, man muss dabei sein, die Stimmung  und das Ambiente riechen, atmen, erleben. All das fehlt halt im Kino.

Trotz alledem wars zumindest eine interessante Erfahrung. Und einen Moshpit im Kinosaal sieht man halt auch nicht alle Tage 🙂 Ob ich bei so was wieder dabei sein werde? Kommt rein auf die Bands an, würde ich sagen. Aber da die Chancen eher schlecht stehen, dass die Bands meines Interesses sich so eine weltweite Übertragung leisten können, vermute ich, dass es bei dem einen Mal bleiben wird.

In diesem Sinne,

ROCK ON!
Aber live, wenn’s bitteschön geht 🙂

[The Big Four Website]
[Metallica.com]
[Sonisphere Bulgarien]
[By Experience Website]
[blutcrew.blogspot]