Mein Xbox Kinect Hands-On!

Der xboxblog.at lud diese Woche vier Leser ein, schon vier Monate vor offiziellem Release Hand an Kinect, der neuen Bewegungssteuerung für die Xbox 360, anzulegen. „Hand anlegen“ ist aber wohl eher kein passender Ausdruck, denn mit Kinect steuern sich die Spiele völlig ohne Controller, Fernbedienung oder sonstiger Hardware – rein nur durch das Bewegen des eigenen Körpers.

Dank hochsommerlichen Rekordtemperaturen (und den unklimatisierten Regionalzügen der Öbb), erreichte ich schweißnass das Hotel Triest im vierten Wiener Gemeindebezirk, und hoffte, dass dort zumindest eine Klimaanlage vorhanden sein würde. Vorhanden ja, aber wirkungslos etwa ab mittags, darum hieß es munter weiterschwitzen. Gemeinsam mit den drei mit-Auserwählten Christian, Doris und Daniel wurden wir dann von Thomas Grasslober und Thomas Kritsch in den Raum gebeten, wo uns in den nächsten zwei Stunden sechs Spiele für Kinect präsentiert werden sollten.

Da ich die diesjährige E3 aufmerksam mitverfolgt hatte, waren mir diese Spiele schon bekannt, und umso neugieriger war ich, sie auch selbst ausprobieren zu können. Den Anfang machte KINECT ADVENTURES, wo wir im Zweiterteam ein Schlauchboot durch Springen, Ducken und zur Seite beugen durch einen abenteuerlichen Hindernisparkour steuerten. Die Erkennung der Bewegungen erfolge erstaunlich gut, leider aber mit einer deutlichen Verzögerung (Latenz). Das ist anfangs schon eher irritierend, denn die Bewegungen am Bildschirm starten meistens erst, wenn die eigenen Bewegungen bereits vorbei sind. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran und reagiert quasi automatisch schon „im Voraus“. Eindruck: Zu zweit ganz spaßig, grafisch ok, aber auf Dauer vielleicht etwas eintönig.

KINECT JOY RIDE ist ein Fun-Racer, in dem man sein Fahrzeug mit einem imaginären Lenkrad, und durch verschiedene Gesten („Lenkrad“ vor oder zurück reißen für den Boost, zur Seite beugen um zu driften, den Körper nach vor oder zurück lehnen um im Flug Stunts auszuführen) steuert. Ich hatte so meine Probleme mit dem Spiel, denn ich schaffte kaum eine Kurve, ohne irgendwo dagegen zu fahren. Vielleicht ist das einfach eine Frage der Übung, aber in der kurzen Zeit heute fühlte es sich für mich nach Stress pur an. Eindruck: Kinect Joy Ride sieht zwar spaßig aus, aber die Steuerung war mir zu ungenau und schwammig. Müsste man mal längere Zeit testen.

Dann war KINECTIMALS an der Reihe. Der virtuelle Streichelzoo war mir alten Katzenfreund schon auf den E3 Videos sehr sympathisch erschienen. Das Streicheln der virtuellen Miezen ist unglaublich charmant, und auch das Beibringen von Tricks macht Spaß, zumindest am Anfang. Das steuern der Miezen durch einen Hindernisparkour ist halt Kinect Adventures sehr ähnlich, und für mich nur mittel bis wenig interessant. Die Demoversion von Kinectimals war übrigens von den Features her etwas eingeschränkt, es lässt sich deshalb nicht so recht sagen, ob sich im fertigen Spiel etwas mehr Spieltiefe befinden wird. Interessantes Feature am Rande: Zusätzlichen Content (neue Viecher) kann man freischalten, in dem man Kinectimals Plüschtiere kauft, und den daran angebrachten Code durch vor die Kamera halten einscannt.  Eindruck: Wenn das fertige Spiel interessante Möglichkeiten bietet, mit den virtuellen Tierchen zu interagieren, und diese ein intelligentes, lernfähiges Verhalten zeigen, dann könnte Kinectimals eine interessante Sache werden. Bleibt es jedoch nur beim Vorzeigen-und-Nachahmen von Kunststücken, und beim Hindernisparkour bewältigen, dann sehe ich darin eher wenig Langzeitmotivation.

KINECT SPORTS ist ein relativ offensichtlicher Wii Sports Klon. Aber besser gut abgeschaut, als schlecht neu erfunden, nicht? Ich konnte das Bowling und den Hürdenlauf ausprobieren, und vor allem ersteres begeisterte mich. Im Gegensatz zum Wii Sports Pendant fühlt sich das Werfen der Bowling Kugel hier viel realistischer an und geht verblüffend intuitiv von der Hand. Beim Staffellauf kam ich so richtig ins Schwitzen, denn hier muss man ordentlich auf der Stelle strampeln, um an Geschwindigkeit zu zulegen. Was mich sehr irritiert hat, war dass man schon bereits relativ weit von den Hindernissen entfernt springen muss, damit die Spielfigur richtig reagiert und auch im Spiel die Hürde nimmt. Es fühlt sich einfach nicht richtig an, wenn man schon drei Sekunden vorher springen muss, damit die Spielfigur richtig reagiert. Eindruck: Ich habe leider zu wenig Sportarten aus Kinect Sports antesten können, aber das Bowling hat mir sehr gut gefallen. Der Hürdenlauf ist zwar eine tolle sportliche Betätigung (*schwitz*), aber die Verzögerung  beim Springen war mir einfach zu hoch.

Überraschung, Überraschung. DANCE CENTRAL gefiel mir sehr gut, obwohl ich ein alter Tanz Muffel bin! Oder vielleicht gerade deswegen, denn ich sehe die vage Chance am Horiziont, dass mich das Teil doch noch zum Tanzen bewegen wird (Höhö, wie doppelbödig!). Da man bei Dance Central die Bewegungen eines Vortänzers nachahmt, entsteht keine sichtbare Verzögerung zwischen den eigenen Bewegungen und denen am Bildschirm, das Spiel kann aber die eigenen Movements sehr genau analysieren und Feedback dazu geben. Für einen Tanztrainer könnte das Ding wirklich gut geeignet sein! Eindruck: Wenn mich Dance Central zum Tänzer umbauen sollte, dann hat Kinect für mich schon gewonnen 🙂

YOUR SHAPE: FITNESS EVOLVED könnte all das meistern, woran Wii Fit meiner Meinung nach gescheitert ist (Anmerkung: Wii Fit Plus kenne ich leider nicht). Bei dem Titel von Ubisoft handelt es sich um einen Fitnesstrainer, der den eigenen Körper verblüffend genau erfasst und scannt, und dadurch wertvolle Rückschlüsse auf die eigene körperliche Verfassung und Veränderungen geben kann. Wurden bei Wii Fit im Prinzip nur Balance Übungen vollführt, können die eigenen Übungen bei Your Shape: Fitness Evolved extrem genau analysiert werden, was ein genaues Feedback und Verbesserungsvorschläge ermöglicht. Eindruck: Wenn das Programm ein ernst zu nehmendes Langzeit Trainingsprogramm bietet, dann könnte es ein wirklich wertvolles Tool für alle Fitness-Interessierten darstellen, das Wii Fit in allen Belangen alt aussehen lässt.

Wie gesagt, die sechs Spiele, die wir ausprobieren konnten, waren schon von der E3 her bekannt, und zielen ganz klar auf die Wii Casual Käuferschicht ab. Das war mir heute eh vollkommen klar, und ich erwartete nicht, dass eventuelle Coregamer Gelüste befriedigt werden würden. Viel wichtiger waren mir technische Aspekte, von denen meiner Meinung nach die Zukunfssicherheit von Kinect abhägen wird.

Gleich zuerst: Die Latenz, also die Verzögerung zwischen tatsächlicher Bewegung und der Bewegung am Bildschirm, die bei den heute gespielten Games noch sehr hoch war. In den meisten Fällen startete die Bewegung am Screen erst, wenn die eigene Bewegung zu Ende war. Manche Menüs ließen sich dadurch bedienen, dass man mit der ausgestreckten Hand einen Cursor am Bildschirm bewegte, und durch längeres Verweilen über einem Menüpunkt konnten Auswahlen getroffen werden. Das funktionierte leider auch nur relativ verzögert, und war dadurch nicht sehr intuitiv. Aber das muss auf lange Sicht nichts heißen, denn die präsentierten Spiele waren noch am technischen Stand vom Mai, und ich bin zuversichtlich, dass die Latenz mit der Zeit immer geringer werden wird, je besser die Programmierer mit Kinect vertraut sein werden. Es braucht halt seine Zeit, bis man ein System voll kennt und ausreizen kann.

Eine ebenfalls große Frage war es mir, wie es nun mit dem nötigen Abstand zur Kinect Kamera aussieht. Gerüchte besagen ja, dass man mindestens zwei Meter Abstand zwischen sich und Kinect lassen sollte. Das kann ich eindeutig entkräften, denn als ich dem Xbox Team heute diese Frage stellte, wurde uns ein Tool gezeigt, wodurch man quasi durch die Augen von Kinect sehen konnte. Soviel ist klar: Kinect erkennt Objekte und Personen auch noch in direkter Nähe problemlos! Dass die aktuell gezeigten Spiele einen relativ hohen Abstand benötigen liegt also an den gezeigten Spielen selbst, und nicht an der Technik. Was uns in Zukunft erwartet, hängt also rein von den Konzepten der Spieleentwickler ab, die Technik schränkt hier defintiv nicht ein.

Dieses Tool zeigte übrigens auch eindrucksvoll, dass Kinect im Raum befindliche Personen sehr genau erkennen kann. In unserem Fall heute wurden sechs Personen problemlos mitsamt ihrer Bewegungen erkannt und dargestellt. Der Detailgrad war verblüffend, sogar die einzelnen Finger und Aufdrucke auf T-Shirts wurden erkannt!

Von der technischen Seite her bin ich überzeugt: Kinect funktioniert. Klar, die gezeigten Spiele sind am Stand vom Mai, teilweise noch nicht ganz ausgereift, und zielen ganz klar auf den Casual Markt ab, der derzeit (noch?) von der Wii dominiert wird. Aber die Technik ist (bis auf die derzeit noch recht hohen Verzögerungszeiten) großartig, und es ist zu hoffen, dass die Fantasie der Entwickler faszinierende neue Spielkonzepte hervorbringen wird. Es spricht zum Beispiel absolut nichts dagegen, Spiele mit Controller UND  Kinect zu steuern, was die möglichen Spielkonzepte immens erweitern, und Kinect auch für den Core Gamer interessant machen würde. Aber ich befürchte, dass es noch eine Weile dauern wird, bis diese Generation an Spielen kommt, und hoffe für Microsoft, dass Kinect bis dahin eine große Casual-Fangemeinde finden wird. Für uns Core Gamer wird sich ja genau genommen eh nichts ändern, wir bekommen unsere „richtigen“ Spiele eh nach wie vor geliefert, daran habe ich keine Zweifel.

Ob ich mir Kinect holen werde? Ich befürchte, das kommt rein auf den Preis an. 150,- sind mir bei dem Start Lineup zu teuer. Bei einem Preisbereich zwischen 100 ,-und 120,- sieht die Sache schon etwas anders aus. Dance Central und Your Shape: Fitness Evolved würden mich aber halt schon reizen. Spätestens wenn die ersten auch für Core Gamer interessanten Spiele kommen, werde ich aber sicher zuschlagen.

Vielen Dank nochmals an das xboxblog.at Team für die Einladung, den unterhaltsamen, wenn auch schweißtreibenden Nachmittag und natürlich für die netten Aufmerksamkeiten! Ich nehme an, wir sehen uns auf der GameCity!

Zum Schluss gibts jetzt noch ein kleines, aber feines Video, das mich und meine Kollegen beim heutigen Kinecten zeigt 🙂

Viel Spaß und bis bald!

lg

Christian aka huma

PS: Ich habe auch ein kleines Interview aufgenommen, das gemeinsam mit einem detaillierteren Kinect-Bericht in meinem aktuellen humeCAST zu hören ist!

[Kinect Hands On 16.07.2010 Fotogalerie]

[xboxblog.at]
[Kinect Website]

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