Die Steve Jobs Biografie.

Nur mal vorweg: Ich besitze im Moment kein einziges Gerät von Apple, noch würde ich mich als eine Art Apple-Jünger bezeichnen. Aber da ich mit einem großen Interesse an Technik und allen Arten von technischen Spielereien ausgestattet bin, habe ich natürlich auch eine gewisse Neugierde für das Thema Apple entwickelt. Die soeben erschienene Biografie des kürzlich verstorbenen „iGod“ Steve Jobs schien mir als ideale Gelegenheit, mehr über die Person hinter dem derzeit wertvollsten Technologiekonzerns der Welt herauszufinden. Als großer Fan aller Arten von Interviews und Behind-The-Scenes Berichterstattung gibt es für mich sowieso kaum etwas interessanteres als gut gemachte Biografien.

Ich wurde nicht enttäuscht. Ich wusste zwar, dass Steve Jobs viel erreicht und aufgebaut hatte, aber ich war doch überrascht, wie maßgeblich er doch dazu beigetragen hat, wie unsere Welt heute aussieht. Ich wusste nur wenig darüber, wie die Rivalität zwischen Microsoft und Apple wirklich abgelaufen war, und dass beide Unternehmen quasi von Anfang an eng miteinander verbunden waren. Doch mir war nicht wirklich klar, dass Steve Jobs schon Anfang der 1980er Jahre genau definiert hat, wie eine grafische Benutzeroberfläche auszusehen hat, auch wenn er dreist von Xerox geklaut hat, die dieses Konzept jedoch ohnehin nicht ernst genommen hatten. Ich wusste auch nicht, wie dreist dieses Konzept wiederum von Microsoft für Windows abgekupfert wurde, was zur Folge hat, dass auch jeder der Microsofts Betriebssystem verwendet, indirekt eine Entwicklung von Steve Jobs benutzt (Stichwort: Rechtecke mit abgerundeten Ecken).

Auch die ganze Geschichte rund um Pixar war mir nicht in vollem Umfang bewusst. Hätte Steve Jobs das Unternehmen nicht von George Lucas gekauft und unter enormen Verlusten weiter betrieben, wären vermutlich Meilensteine wie Toy Story nie entstanden und die Geschichte der Animationsfilme wäre (wenn überhaupt) völlig anders verlaufen.

Es waren die eher nicht so bekannten Geschichten rund um Apple und Steve Jobs, die mich am meisten faszinierten. Die iPod, iTunes, iPhone und iPad Ära hingegen ist noch immer allgegenwärtig und uns allen gut vertraut. Trotzdem war es sehr interessant zu lesen, dass Steve Jobs schon in den 1980er Jahren von einem „Computer in Buchgröße“ träumte, bereits damals Geräte verabscheute, die mit einem Stift zu bedienen waren, Gehäuselüfter laut ihm flüsterleise sein sollten und er Ein/Aus Schalter überflüssig hielt.

Seine Biografie erlaubt auch tiefe Einblicke in den vorherrschenden Zeitgeist und in die Firmenkulturen großer amerikanischer Unternehmen in den 1970er und 1980er Jahren, was Steve’s Motivation und Philosphie etwas verständlicher macht. Faszinierend, wie eng miteinander verwoben doch die Geschichten der großen Firmen wie Apple, Microsoft, Sony, Adobe etc. waren, die auch heute noch unsere technologische Lebensweise bestimmen.

Doch neben all diesen interessanten Begebenheiten geht es in dem Buch natürlich in erster Linie um Steve Jobs, der eine wirklich schwierige Persönlichkeit gewesen sein dürfte. Das vor allem in der ersten Hälfte der Biografie von Jobs gezeichnete Bild lässt ihn als rachsüchtigen, gefühllosen, verwöhnten und hinterhältigen Hitzkopf erscheinen. Die unzähligen Schilderungen von Wutanfällen, Rachefeldzügen und Tränenausbrüchen ließen nicht nur einmal das Bild von Eric Cartman vor meinem geistigen Auge auftauchen.

Trotzdem schien er aber nie Geld gierig oder nennenswert geizig gewesen zu sein. Man kann über Steve Jobs sagen was man will, aber er hat immer extrem hart gearbeitet, mit seiner ganz speziellen Art seine Leute zu absoluten Höchstleistungen angetrieben (Stichwort: Reality Distortion Field) und seine Arbeit und die daraus entstandenen Produkte (fast) immer mit ganzem Herzen geliebt.

In der zweiten Hälfte des Buches, etwa ab seiner Zeit bei Pixar und der Gründung seiner Famile, veränderte sich das Bild allmählich. Jobs blieb zwar immer der cholerische, perfektionistische Misanthrop, doch er schien mit dem Alter auch etwas menschlicher geworden zu sein. Aber eines wurde er meiner Meinung nach nie völlig: Ein Vorbild. Ich würde es niemanden raten, sich Steve Jobs als Vorbild zu nehmen, seine egozentrische, oft menschenverachtende und verletztende Art verdient es einfach nicht, Nachahmer zu finden. Ich dachte mir die ganze Zeit über: Warum musste er unbedingt so ein *****loch sein? Er hätte sämtliche seiner Leistungen auch vollbringen können, wenn er eine Balance zwischen kompromisslosem Perfektionisten und menschlich liebenswertem Wesen gefunden hätte.

Steve Jobs war trotz (oder gerade wegen?) seiner menschlichen Schwächen aber zweifelsohne ein genialer Visionär, ein unnachgiebiger Perfektionist – und ein begnadeter Künstler. Ja, nach der Lektüre seiner Biografie bin ich davon überzeugt, dass Steve Jobs in erster Linie ein Künstler war. Einer der wenigen ernsthaften Künstler, die es je in der so trockenen Landschaft der Technologie Konzerne gab, mit all den Schwierigkeiten die das bedeutete. Und da ich selbst Musiker bin, und mit den oft auszehrenden und unberechenbaren Prozessen kreativen Schaffens einigermaßen vertraut bin, konnte ich mich das ein oder andere mal in seine Lage versetzen und sogar Verständnis für ihn aufbringen.

Das 700 Seiten starke Buch von Walter Isaacson, der bereits Biografien über Albert Einstein und Benjamin Franklin verfasst hat, ist eine Reise durch die letzten 40 Jahre Computer-, Technologie-, Animationsfilm- und auch Musikgeschichte, die nie langweilig wird und immer wieder mit interessanten und überraschend persönlichen Details über Steve Jobs und sein Umfeld aufwarten kann, die man in dieser Form noch nicht kannte.

Die Biografie von Steve Jobs ist jedem Technologie Begeisterten uneingeschränkt zu empfehlen. Auch (oder gerade) für Nicht-Apple Fans und Steve Jobs Gegner, denn Jobs bestand darauf, keinen Einfluss oder gar Kontrolle darauf auszuüben. Er hatte es nicht einmal gelesen. Die Angst vor einer geschönten und verherrlichenden Lobeshymne auf Steve Jobs und Apple  ist also unbegründet. Aber ich kann nicht verleugnen, dass ich die Apple Fans und ihre Liebe zu Steve Jobs und seinen Produkten nun ein klein wenig besser zu verstehen glaube.

www.randomhouse.de

PS: Allen an dem Thema Interessierten sei auch dieser Film empfohlen: www.imdb.com/title/tt0168122

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