project:DEV – Making Games Talents 2011

Der begnadete Illustrator und Grafikdesigner Peter Siedl  hat das Making Games Talents Event in Hamburg besucht und war so nett, einen ausführlichen Bericht für project:DEV zu verfassen.
Here we go:

Am 5. November 2011 fand in Hamburg die Making Games Talents statt. Es handelt sich dabei um Deutschlands erfolgreichste Jobbörse für die Computerspielebranche. Neun Firmen waren vor Ort anwesend, die insgesamt 420 Stellen ausgeschrieben hatten. Der Veranstaltungsort war die Universität Hamburg, wo sich im Foyer eines der Hauptgebäude die Aussteller an ihren Ständen präsentierten und bei denen man sich direkt mit Bewerbungsunterlagen vorstellen konnte. Zudem gab es von 10 bis 19 Uhr laufend Programmpunkte im daneben liegenden Vortragssaal. Organisiert wurde alles vom deutschen Magazin für die Spieleindustrie, dem Making Games Magazin, mit Heiko Klinge als Chefredakteur und Initiator. Die Jobbörse findet mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten statt und es präsentieren sich teils unterschiedliche Firmen dort. Die Teilnehmerzahl ist jedes Mal begrenzt, daher sollte man Ticket einige Wochen vorher besorgen. 150 fanden sich in Hamburg ein und damit war es dort auch ausverkauft. Mit 29 Euro (inkl. Catering) ist man dabei.

Jedenfalls begab ich mich an besagtem Tag ebenfalls dorthin um neue Job- und Auftragsmöglichkeiten in der Computerspieleindustrie zu suchen. Irgendwie bin ich in der Branche vor knapp vier Jahren gelandet, allerdings war ich bisher lediglich an einer Handvoll Titel des österreichischen Mini-Developers Homegrown Games tätig. Seit Mai 2011 ist meine Berufsbezeichnung die des selbstständigen Illustrators und Grafikdesigners. Momentan zeichne ich fleißig an 2D-Grafiken für einen Indie-Titel aus Frankreich. Spätestens mit Beginn des nächsten Jahres werde ich mich aber neu orientieren müssen, daher meine Reise nach Deutschland, wo ich auf eine Chance hoffte (und hoffe) bei einer der führenden Firmen der Gaming-Industrie unterzukommen. Dieser Tage harre ich auf eine glückselige Botschaft von unseren nördlichen Nachbarn.

Nun möchte ich einen kleinen (oder eher längeren) Erfahrungsbericht von der Making Games Talents abgeben, da ich davon überzeugt bin, dass diese eine der bestmöglichen Chancen ist, in der Branche bei einem Top-Arbeitgeber unterzukommen und selbige daher für alle Interessierten mehr als empfehlenswert ist. Die Anreise machte ich per Bahn. Von Amstetten nach Hamburg sind es nicht einmal 11 Stunden ohne Umsteigen. Mit der Sparschiene und auf einem reservierten Sitzplatz kostet dies hin und retour weniger als 100 Euro. Ein Schlafabteil empfiehlt sich, allerdings ist der Aufpreis dann dementsprechend saftig. Um etwa 21 Uhr begann der Trip, um knapp 7 Uhr 50 erreichte ich den recht großen und beeindruckenden Bahnhof in Norddeutschland. Da ich noch einige Stunden Zeit hatte, suchte ich den örtlichen Burgerladen auf und vertiefte mich in meinen derzeitigen Lesestoff. Mit dem Taxi ging es schließlich in nur wenigen Minuten vom Bahnhof zur Universität. Dort musste ich nur kurz nachfragen und fand dann aber schnell zum eigentlichen Veranstaltungsort.

Im Foyer waren bereits die Firmen mit ihren Ständen anwesend. Erste Teilnehmer tummelten sich bereits in kleinen Trauben vor dem Eingang und im Gebäude selbst. Ich wanderte noch ein wenig unentschlossen umher. Immerhin sah ich sofort die mir sehr bekannten Logos der deutschen Spieleindustrie: das Triple-A-Flaggschiff Crytek, der deutsche ‚Oldie‘ und Ubisoft-Tochter Blue Byte oder auch der rapid wachsende Browser- und MMO-Anbieter Bigpoint. Auch Daedalic fiel mir gleich auf, deren Adventure-Titel im Zeichentrick-Stil mich schon immer sehr interessiert haben. Spellbound, die für das Gothic 4-Desaster mitverantwortlich waren, hatten sicherlich den unauffälligsten Stand. Der bestand nämlich nur aus einem Tisch mit zwei Stühlen und die Firmenzuordnung konnte nur über die Logos auf den Kapuzenpullis der beiden Mitarbeiter erfolgen. Mir völlig unbekannt waren hingegen Goodgame Studios, Fishlabs, Travian Games und InnoGames. Aber da sich ja alle in halbstündigen Vorträgen im Verlauf des Tages vorstellen würden, konnte ich sie ja bald besser kennenlernen. Im Grunde hatte man bereits jetzt schon die Möglichkeit, sich mit den Bewerbungsunterlagen bei den einzelnen Unternehmen vorzustellen. Manche der Teilnehmer mögen dies schon etwas zaghaft getan haben, aber ich wollte erstmals den ersten Programmpunkten beiwohnen, ehe ich mich direkt in ‚medias res‘ begeben sollte.

Und um 10 Uhr ging es schließlich im Vortragssaal, in dem alle Stühle recht schnell besetzt waren, los. Heiko Klinge eröffnete die Making Games Talents offiziell und begrüßte alle Anwesenden. Er begann hierauf mit einem Vortrag (inklusive Powerpoint-Präsentation auf einer Leinwand), der den Titel ‚Traumjob Games-Entwickler? Mythen & Wahrheiten!‘ trug. Heiko referierte sehr locker und gewitzt, gab zwischendurch immer wieder Anekdoten zum Besten und dabei blieb aber der Informationsgehalt durchgehend sehr hoch. Mir war freilich nicht alles gänzlich unbekannt, was ich da zu hören bekam, aber insgesamt war es ein sehr guter und übersichtlicher Einblick in die Berufswelt der Computerspiele-Industrie. Um 10 Uhr 40 stellten sich dann sämtliche anwesende Firmen im Schnelldurchlauf von gerade einmal 20 Minuten insgesamt vor. So hatte man einen guten Ersteindruck und es wurde einem auch schlicht klarer, mit wem man es eigentlich zu tun hatte. Das richtige Bewerben stand als nächstes auf dem Programmpunkt. Die Stellvertreter aller Unternehmen machten in einer kleinen Diskussionsrunde, moderiert von Heiko Klinge, deutlich, was Ihnen bei Jobsuchenden besonders wichtig sei. Dazu gehörte unter anderem das Verschicken von individualisierten Bewerbungsunterlagen nur via E-Mail, eine eher breitgefächerte Qualifikation oder die Nichtnotwendigkeit vom Tragen eines Anzugs beim Vorstellungsgespräch. Vor der Mittagspause wurde der Betriebs-Standort Hamburg in einem Vortrag noch recht heftig umworben und gerühmt, denn schließlich genießt hier die Computerspiele-Industrie besondere Vorteile bei Firmengründungen oder beim Networking. Nicht umsonst dürfte daher diese Stadt praktisch das Zentrum für die Entwicklung von Games in Deutschland sein. Da mir dies aber dann doch etwas zu viel an Lobhudelei war und für mich wirklich wichtige Infos dabei ohnehin kaum zu Wort kommen dürften, begab ich mich zu einer ersten Bewerbungsrunde ins Foyer.

Bei Spellbound fing ich an, mich vorzustellen. Bigpoint sollten die Nächsten sein. An sich ging dies recht flott vonstatten. Ich zeigte mein mitgebrachtes Portfolio von diversen Artworks, plauderte über mich selbst und meinen bisherigen beruflichen Werdegang und händigte meine Bewerbungsunterlagen in ausgedruckter Form aus. Von beiden Seiten gab es kleinere Nachfragen, aber es erwies sich alles als recht lockere und ungezwungene Angelegenheit. Die Mittagspause begann. Die aufgetischte Speise erwies sich als durchaus geschmackvoll. Am Nachmittag stellten sich schließlich alle Firmen in halbstündigen Vorträgen vor. Diese erwiesen sich fast alle als durchgehend interessant und aufschlussreich. Besonders spannend fand ich die Firmenentwicklung von Fishlabs, die absolute Vorreiter für 3D-Games auf Handys waren und inzwischen exklusiv für Apple entwickeln. Sehr sympathisch kam Daedalic rüber, denen man die Leidenschaft für das Geschichtenerzählen in Spielen richtig anmerkte. Etwas öde hingegen fiel die Präsentation von den Goodgame Studios aus, die sich in organisatorischen Details im Entwicklungsprozess verloren. Inzwischen stellte ich mich aber auch schon den nächsten Firmen vor. Kurz vor Ende der Veranstaltung klapperte ich auch noch die letzten Stände ab. Lediglich Crytek habe ich schließlich ausgelassen, da die Bewerbungsunterlagen in englischer Sprache verlangen und generell war der Gesamteindruck der selbigen etwas ‚unterkühlt’ und ein bisschen distanziert, um‘s mal so auszudrücken. Den Abschluss der Making Games Talents bildete eine Diskussion aller Firmenvertreter, wiederum moderiert von Heiko Klinge, über das Thema ‚Karriere in der Games-Branche‘, die sich wiederum als sehr interessant erwies. Nicht zuletzt kam deutlich dabei heraus, dass diese Industrie ein ziemlich bunter Haufen von allen nur erdenklichen Typen ist, deren berufliche und studentische Werdegänge sehr unterschiedlich ausfallen, ehe sie schließlich bei den Spielen landen. Da auch in Deutschland entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten erst seit wenigen Jahren existieren, sind es häufig Quereinsteiger aus ganz anderen Sparten, die jedoch alle die Leidenschaft für das Zocken verbindet. Jedenfalls war der Ausklang der Veranstaltung auch sehr gelungen und rundete diese insgesamt sehr schön ab.

Zurück am Bahnhof musste ich noch einige Zeit auf meinen Zug warten, ehe ich nach vielen Stunden endlich wieder heimischen Boden unter meinen Füßen hatte. Der Schlafmangel machte sich inzwischen durchaus bemerkbar, was aber mein gutes Gefühl ob des tollen Ausflugs nach Deutschland nicht trübte.

Mein Fazit von der Making Games Talents ist schlicht: großartig! Eine toll organisierte Veranstaltung, bei der man nicht nur einen sehr guten allgemeinen Eindruck von der Games-Branche bekommt, sondern auch einzelne Firmen sich sehr schön präsentieren können. Die Diskussionen und Vorträge waren allesamt informativ, aufschlussreich und durchaus auch mal sehr witzig. Zum direkten und einfachen Bewerben bei deutschen Computerspiele-Developern und Publishern erweist sie sich als ideal. Die Atmosphäre vor Ort ist ungezwungen, locker und fast schon gemütlich. Man merkt durchgehend, mit wie viel Leidenschaft, Begeisterung und auch Spaß alle bei der Sache sind. Ich kann daher die Making Games Talents einem jeden nur grenzenlos empfehlen, der irgendwie und für welchen Job auch immer in der Gamens-Branche unterkommen will. Ich würde jederzeit wieder hinfahren!

Die nächsten Veranstaltungstermine möge man von der entsprechenden Website erfahren. Im Making Games Magazine finden diese freilich auch Erwähnung und das Schwestermagazin Gamestar wirbt auch immer rechtzeitig dafür.

>> Making Games Talents 2011 Fotogalerie

Herzlichen Dank an Peter Siedl für diesen interessanten Einblick!
[Peter Siedl’s Website]